Biographie

Im Januar 1946 erhielt Reich die venia legendi an der Philosophischen Fakultät der Universität Marburg,
wohin Ebbinghaus seit 1940 übergewechselt war. Nach der Verwaltung einer Diätendozentur und der
Ernennung zum apl. Prof. (1947) war Reich seit 1948 planmäßiger Diätendozent. Im Mai 1956 wurde er
zum ordentlichen Professor der Philosophie an der Universität Marburg ernannt und behielt diese Position
bis zu seiner Emeritierung im März 1972 bei. Auch nach diesem Zeitpunkt hielt Klaus Reich Seminare in
der Universität ab, die erst durch seinen plötzlichen Tod am 24. Januar 1996 beendet wurden.

Reichs publiziertes Werk hat die beiden
historischen Schwerpunkte der Philo-
sophie der griechisch-römischen Antike,
insbesondere der Platons, und der Philo-
sophie Immanuel Kants. Der Pla-
tonische und der Kantische Ratio-
nalismus kamen für ihn darin überein,
daß sie, insbesondere in der Be-
gründung der mathematischen und der
moralischen Erkenntnis, den Empi-
rismus und Relativismus verschmähten
und allgemein der menschlichen Ver-
nunft eine Fähigkeit zu a priori ge-
gründeter Erkenntnis zuschrieben. In
seiner philosophiehistorischen For-
schung ließ Reich sich, wie er es an
Kant selbst aufwies, von der "Welt-

bürgermaxime" leiten, nach welcher auch in den Philosophemen der Denker des sogenannten archaischen
Zeitalters keine andere Denkstruktur anzutreffen sei als in denen unserer eigenen Gegenwart. Dies hieß
vorauszusetzen, "daß in denselben doch etwas Wahres sein müsse und dieses herauszusuchen" sei. In
der Erforschung und entwicklungsgeschichtlichen Rekonstruktion der Kantischen Philosophie sind Ebbing-
haus und Reich, so unwahrscheinlich dies angesichts der bedeutenden Leistungen der Kant-Forschung
des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts auch klingen mag, die ersten gewesen, die ein ihrem Ge-
genstande voll gerecht werdendes Verständnis dieser Philosophie in ihrer Gesamtheit erreicht haben.
Ebbinghaus hatte darüberhinaus die großartige Unbefangenheit, sich in aller Öffentlichkeit von seinem
einstigen Schüler und jetzigen Freunde über die Philosophie auch und gerade Kants belehren zu lassen.
Von den vier selbständigen Monographien zur Kantischen Philosophie, die Reich veröffentlicht hat, ist die
kongeniale Rekonstruktion des Systems der logischen Grundfunktionen und der Nachweis der Vollständig-
keit der Tafel der Urteilsformen (und damit der Kategorien der Transzendentalphilosophie) durch deren Her-
leitung aus dem Prinzip der ursprünglich synthetischen Einheit der Apperzeption die wichtigste. Reich hat
bis zu seinem Tode die Ergänzung dieser der Darstellung und Rechtfertigung des Systems gewidmeten
Schrift durch eine entwicklungsgeschichtliche Aufklärung seiner Entstehung als seine Aufgabe angesehen.
In Kant und die Ethik der Griechen hat Reich den Nachweis eines entscheidenden Einflusses Platons und
des Stoikers Panaitios auf die Entstehung und Ausgestaltung der Kantischen Moralphilosophie geführt. Die
Schrift über Rousseau und Kant handelt von der anfänglichen Gefolgschaft Kants gegenüber Rousseau,
untersucht die Bedeutung des Contrat social für die kritische Philosophie der Sittlichkeit und zeigt die
Gründe für die von Rousseau abweichende Lösung des moralischen Problems des Wertes der Kultur für die
Menschheit beim reifen Kant auf. Die Abhandlung über Kants Einzig möglichen Beweisgrund .... prüft und
verteidigt den Kantischen Anspruch, in der Kritik der reinen Vernunft den Nachweis der Unmöglichkeit einer
jeden "dogmatischen Metaphysik" geliefert zu haben, anhand des Hauptwerkes von Kants vorkritischer
Periode und verweist auf dessen Zugehörigkeit zu der mit Parmenides beginnenden Tradition meta-
physischen Denkens.