Biographie

Der Philosoph Klaus Reich wurde am 1. Dezember 1906 als Sohn des Verlagsbuchhändlers Gustav Reich
und seiner Frau Else, geb. Gruber, in Berlin geboren. Die Stationen seines äußeren Werdeganges sind
schnell aufgezählt. Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Berlin-Friedenau legte er dort
1925 die Reifeprüfung ab. Die ersten beiden Semester seines Studiums verbrachte Reich an der Universität
Freiburg i. Br., wo er Philosophie, vornehmlich bei Edmund Husserl, Jonas Cohn und Julius Ebbinghaus,
sowie klassische Philologie studierte. In dem seiner Dissertation beigefügten Lebenslauf heißt es schon
über diese Anfänge: ,,eine Vorlesung von J. Ebbinghaus über die Kritik der reinen Vernunft lenkte mich in
die Richtung der Beschäftigung mit Kant, die die Bearbeitung der in der vorliegenden Abhandlung über die
Vollständigkeit der Kantischen Urteilstafel ausgeführten Aufgabe bestimmt."

1926 und 1927 studierte Reich in Berlin, hauptsächlich Mathematik
und Physik u. a. bei Erhardt Schmidt, Planck und Nernst, nahm
aber auch an philosophischen Übungen bei Dessoir, Liebert,
Heinrich Maier, Reichenbach und Spranger teil, sowie an Übungen in
der klassischen Philologie bei Werner Jaeger. Im Sommer 1928 war
Reich wieder in Freiburg, studierte Philosophie bei Cohn, Ebbing-
haus und Heidegger und weiter Mathematik und Physik, deren Stu-
dium ihm wegen seiner Beschäftigung mit Kant notwendig schien.
Nach dem in Berlin ohne Immatrikulation verbrachten Winter 1930/31
folgte Reich Ostern 1931 Ebbinghaus, mit dem ihn seit 1930 außer
Schülerschaft auch Freundschaft verband, nach Rostock, wo er
1932 zum Dr. phil. promoviert wurde. In den Jahren 1932 und 1933
war Reich als wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Rostock
tätig. Aber schon Ende Mai 1933 wurde er aus politischen Gründen
entlassen und lebte bis 1939 als Privatgelehrter, obwohl er ur-
sprünglich beabsichtigt hatte, sich nach Ablauf der notwendigen
Frist von zwei Jahren um die Habilitation in Philosophie zu be-
werben. Das wurde durch die politischen Verhältnisse in Deutsch-

land seit der nationalsozialistischen Machtergreifung verhindert. Ebbinghaus´ Versuch, seinen Schüler im
Jahre 1939 in Rostock zu habilitieren, scheiterte am Widerstand des dortigen Kreisleiters. Ebbinghaus
schildert diese Vorgänge so: ,,Dieser stützte sich darauf, daß Reich 1.) mit einer nach Palästina ausge-
wanderten jüdischen Studentin in Korrespondenz stand, 2.) daß er niemals den Gruß ,,Heil Hitler" ge-
brauchte oder den Arm zum Gruße hob. Dieser Umstand führte dazu, daß seine Stimmabgabe bei einem
der Hitlerschen Volksentscheide kontrolliert wurde. Es zeigte sich, und dies war der 3te Grund, daß diese
Stimme negativ war." Damit war Reichs Situation in Hitlerdeutschland hoffnungslos geworden, und er erwog
die Auswanderung. Die emigrierten klassischen Philologen Ernst Kapp und Rudolf Pfeiffer, die in Oxford ein
Asyl gefunden hatten, vermittelten dem Oxforder Kant-Spezialisten Herbert James Paton die Kenntnis von
Reichs Schriften, woraufhin dieser den Autor für den Sommer 1939 nach England einlud. Reichs Besuch
bei Paton resultierte in der Zusicherung eines Unterkommens und einer Position in Oxford. Dieser Plan
wurde durch die Einberufung zu einer Militärdienstübung und den Kriegsbeginn vereitelt. Reich leistete
seinen Militärdienst als einfacher Soldat bei der Luftwaffe und geriet 1945 in amerikanische Kriegsgefangen-
schaft. Ein während des Krieges unternommener weiterer Versuch der Habilitation war am Einspruch des
"Ministeriums des Stellvertreters des Führers" gescheitert.